Was sich auch bei vielen Fragen der Ungleichheit so wie der (Un-)vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen durchzieht, ist das Moment, dass bestimmte Arbeit gesellschaftlich anders gesehen wird als andere. Manche Arbeit wird entlohnt oder bekommt ein hohes Maß an Anerkennung und andere wiederrum wird als Liebesdienst einsortiert und läuft nebenher. Und in diesem Bereich gibt es dann einen großen Bereich von Arbeit und fortlaufenden Aufgaben, die unsichtbar bleiben und entsprechend wenig Anerkennung von anderen, aber oftmals auch von den Ausführenden selbst erhalten. Es wird da von „mental load“ gesprochen, was z. T. auch mit „unsichtbarer Elfenarbeit“ übersetzt wird. Das hochironisch gemeint ist und soll keinerlei pastellfarbene Bilder aufwerfen.
Mental load umfasst die ganze Organisation von sozialen Zusammenhängen – allen voran natürlich „die Familie“, aber auch „das Team“ oder „den Verein“. In all diesen Zusammenhängen fallen ganz viele Aufgaben an, die jemand mitdenken muss, weil es das Miteinander gestaltet: wer hat wann Geburtstag, wer ist krank und braucht eine Karte von den Kolleg*innen? Wann können sich Kinder verabreden, wann müssen die Gummistiefel in der Kita getauscht werden, wann das Sportzeug in der Schule, wann muss die Großtante mal wieder angerufen werden, was ist überhaupt im Kühlschrank? Wer wäscht das Geschirrhandtuch in der Teeküche und wer füllt den Kaffee nach? Wann sind Schuhe zu klein und wer könnte sie gut erben, wo liegt das geliebte Kuscheltier und wo die Lesebrille für den Partner? Wann ist Elternsprechtag, wie heißt die Lehrerin und wann sollten mal der Müll aus dem Ranzen geleert werden?
Die Bespiele für diese Liste sind endlos und so individuell wie jede soziale Verbindung und gleichzeitig so allgemeingültig und so verblüffend ähnlich, dass es da einen strukturellen Zusammenhang geben muss. Mental load ist das, was Frauen und Mütter* oft auch so müde macht, weil es zum einen nie aufhört und zum anderen nie wirklich gesehen wird. Und doch können auch diese unsichtbaren Automatismen verändert werden, aber ähnlich wie bei der wirklich geteilten Elternschaft geht das auch nur mit viel Reflexion und Planung. In einem ersten Schritt gilt es, sich selbst sichtbar zu machen, was da an welcher Stelle mitgedacht und nebenbei organisiert wird und im zweiten ist es hilfreich, sich das gemeinsam mit den anderen anzusehen und die Aufgaben wirklich auch zu benennen. Wahrscheinlich erledigt der Partner oder der Kollege auch manches, was wir nicht sehen und ist doch gut, wenn wir da ins Gespräch gehen. Es geht nicht ums Aufrechnen, sondern ums sichtbar machen und umverteilen oder loslassen. Mittlerweile gibt es viel Literatur und Infos dazu.
Es sind so eingespielte und automatisch funktionierende Strukturen, dass Veränderungen wirklich mühsam sind. Aber es sind vor allem diese Mechanismen, die es Frauen* oft viel schwerer machen, sich mal rauszuziehen und wirklich Pause zu machen. Wenn diese Aufgaben bewusst sind und getauscht und übernommen werden können, entsteht Raum! Auch hier ist das Bild der allumsorgenden, aufopfernden Mutter sehr wirkmächtig, was wir mühsam aus den Köpfen kriegen müssen, denn uns ist wirklich nicht angeboren, zu wissen, was ist im Kühlschrank ist.
Und ist es nicht eine großartige Motivation, sich vorzustellen, dass wir mit unserem Beispiel, dann Kinder in die Welt schicken, die sich auskennen und wissen, wie gut Aufgaben verteilt werden können? Da werden dann plötzlich auch die Putzpläne in den WGs funktionieren ☺. Und alle, die sich auf den Weg gemacht haben, beschreiben eine unglaubliche Entlastung und stellen fest, dass sie z. B. einfach auch mal entspannt krank sein können. Nicht dass das das zentrale Ziel ist, aber im Grunde sagt es alles!
Weiterlesen dazu z. B.: „Raus aus der Mental Load Falle“ von Patricia Cammarata
Und zum Weiterhören gibt es eine tolle Folge des Lila Podcasts zum Thema:
https://lila-podcast.de/lila163-unsichtbare-elfenarbeit-aka-mental-load/
Das Comic von Emma bringt es nochmal sehr anschaulich auf den Punkt.
„Du hättest doch nur fragen müssen“:
https://krautreporter.de/1983-du-hattest-doch-bloss-fragen-mussen