Studien zeigen, dass Frauen häufiger an Depressionen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen leiden als Männer. Dies wird zum Teil auf hormonellen Unterschieden zurückgeführt, aber auch darauf, dass Frauen öfter Opfer von häuslicher Gewalt oder sexuellen Übergriffen werden. Zudem verursachen gesellschaftliche Erwartungen, wie das Vereinbaren von Familie und Beruf oder das äußere Erscheinungsbild, zusätzlichen Stress. Diese Faktoren erhöhen das Risiko für psychische Gesundheitsprobleme bei Frauen.

Besonders gefährdet sind Frauen, die wirtschaftlich benachteiligt, arbeitslos, auf der Flucht oder von Rassismus betroffen sind, sowie diejenigen, deren geschlechtliche Identität nicht anerkannt wird. Sie erleben oft Diskriminierung und Ausschluss, was das Risiko für psychische Krankheiten weiter ansteigen lässt.

Das Gesundheitssystem muss deshalb eine geschlechtersensible und intersektionale Perspektive einnehmen. Frauen sollten leichteren Zugang zu psychologischer Unterstützung und Therapie bekommen, möglichst ohne finanzielle Hürden. Dies erfordert mehr niedrigschwellig Therapie- und Präventionsangebote. Es ist auch wichtig, sichere Räume zu schaffen, in denen Frauen offen über ihre psychische Gesundheit sprechen können, ohne Angst vor Stigmatisierung zu haben.  

Zusätzlich muss langfristig Selbstfürsorge und Selbstbewusstsein Teil eines modernen Frauen- und Mutterbildes werden. Eine offene Diskussion über psychische Gesundheit und die Faktoren, die diese beeinflussen, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt, um die mentale Gesundheit von Frauen zu unterstützen.

Depressionen und Burn-Out

Depressionen und Burn-out unterscheiden sich bei Männern und Frauen in Häufigkeit, Symptomen und Ursachen. Studien zeigen oft, dass Frauen häufiger betroffen sind. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass geschlechtsspezifische Unterschiede wichtig sind, um auch atypische Formen zu erkennen. Bei Männern zeigen sich einigen Fällen Formen, die als „männlichen Depression“ beschrieben werden könnte, wenn Symptome wie Aggressivität, Reizbarkeit sowie Risiko- und Suchtverhalten im Vordergrund stehen, statt der typischen depressiven Anzeichen der Schwermut, Antriebslosigkeit und Minderwertigkeitsgefühlen. 

Frauen zeigen eher die klassischen Symptome und sind oft offener in der Beschreibung ihrer Beschwerden, was dazu führt, dass sie häufiger Hilfe suchen. Bei Frauen finden sich die Risikofaktoren für eine Depression oder auch ein Burn-Out vor allem im Alltag: hier spielen soziale Faktoren eine Rolle, wie der Druck durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf sowie gesellschaftliche Rollenerwartungen, die sie anfälliger für Depressionen machen.

Suchterkrankungen

Suchterkrankungen betreffen viele Bereiche und werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, darunter auch geschlechtsspezifische Unterschiede. Männer und Frauen haben verschiedene Risiken und Muster beim Substanzmissbrauch. In Bezug auf Alkohol- und Drogenmissbrauch zeigen Studien, dass Frauen dazu neigen, zeitlich schneller in eine Suchterkrankung zu rutschen. Sie stehen oft vor zusätzlichen Hürden, wie soziale und kulturelle Normen, wenn sie Suchtprobleme offenlegen oder Hilfe suchen wollen.

Bei Männern sind allerdings die Fallzahlen beim Substanzmissbrauch, vor allem von Alkohol und Tabak, deutlich höher. Dies kann mit traditionellen Männlichkeitsbildern zusammenhängen, die einerseits einen hohen Konsum für Männer normalisieren und andererseits Druck ausüben, Emotionen zu unterdrücken, weswegen zu den Substanzen gegriffen wird. U.a. wegen dieser Rollenzuschreibungen suchen Männer auch seltener professionelle Hilfe.

Es ist wichtig, geschlechtsspezifische Unterschiede bei Suchterkrankungen in der Forschung und Praxis zu berücksichtigen, um eine passende Versorgung sicherzustellen. Dazu gehört, diese Aspekte in Prävention, Früherkennung und Behandlungsansätzen zu integrieren.

Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten

Eine geschlechtssensible Sicht auf Essstörungen zeigt die strukturellen und sozialen Ursachen, die zu deren Entstehung beitragen. Gesellschaftliche Normen und Geschlechterrollen spielen hier auch eine große Rolle. Frauen sind oft mit dem Ideal der Schlankheit konfrontiert, während bei Männern Muskelkraft und körperliche Stärke betont werden. Unrealistischen Schönheitsideale erhöhen das Risiko für Essstörungen wie Magersucht und Bulimie, wobei dies nicht die einzigen Einflussfaktoren sind.

Als weitere Faktoren werden die Objektivierung des weiblichen Körpers und einschränkende Rollenbilder betont, die zu gestörter Körperwahrnehmung und Essstörungen führen können. Frauen lernen früh, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken und sich an die Erwartungen anderer anzupassen. Hier stellt die Essstörung eine „Möglichkeit“ dar, im wörtlichen Sinne immer weniger „Raum zu beanspruchen“. 

Gerade in Bezug auf Essstörungen sind die vielschichtigen Auswirkungen von Geschlechterungleichheit und sozialer Unterdrückung zu erkennen: Frauen können sich dazu gedrängt fühlen, ihren Körper zu kontrollieren, um den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Hier wird deutlich, dass sich die Bedeutung von Selbstbestimmung und die Befähigung, sich von äußeren Normen zu lösen, für Frauen als Teil von gesellschaftlichem Wandel wichtig ist.

Die Forschung zu Essstörungen bei Trans-Personen ist noch begrenzt, zeigt aber alarmierende Zahlen. Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass Trans-Menschen oft versuchen, körperliche Merkmale ihres biologischen Geschlechts durch Gewichtsabnahme zu unterdrücken, um den Körper ihrem gewünschten Geschlecht anzupassen. Auch der gesellschaftliche Druck entweder als Mann oder als Frauen eindeutig zugeordnet werden können (Passing) spielt eine zentrale Rolle.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Entstehung von Essstörungen sind Traumata und Missbrauchserfahrungen, die oft geschlechtsspezifisch sind. Diese Erfahrungen führen häufig zu einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper. Daher ist es wichtig, geschlechtsspezifische Ansätze in die Prävention und Behandlung von Essstörungen und Traumata zu integrieren, insbesondere bei Frauen, Mädchen und Trans-Personen.

Auch selbstverletzendes Verhalten wird oft als Bewältigungsstrategie für emotionale Schmerzen genutzt. Frauen, die häufiger Opfer von struktureller Gewalt und Missbrauch sind, zeigen oft mehr selbstverletzendes Verhalten. Die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen, wie Perfektionismus und das Übernehmen vieler sozialer Rollen, erhöhen den emotionalen Stress und tragen dazu bei. 

Die patriarchale Gesellschaft führt oft dazu, dass Frauen ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Eine umfassende Lösung für Essstörungen und Selbstverletzungen erfordert daher nicht nur individuelle Therapie, sondern auch die Bekämpfung der strukturellen Ursachen. Prävention sollte das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Belastungen schärfen und Frauen ermächtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren.